Alkoholkonsum ist in Österreich ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Bei Festen und Feiern gehört Alkohol dazu und fungiert als Stimmungsmacher.
Eine Abhängigkeit kann entstehen, wenn ein Mensch der sein bisheriges Leben als überwiegend stabil wahrgenommen hat, plötzlich mit existentiell bedeutsamen Ereignissen wie einer schweren Erkrankung, Tod eines Angehörigen, Scheidung, Kündigung usw. in Berührung kommt. Und dadurch die bisherige, als stabil erlebte Struktur des Lebens verloren geht und es noch keine Idee einer zukünftigen tragfähigen und lebenswerten Struktur gibt und es auch nicht sicher ist, ob es die jemals geben wird, beschreibt Rudolf Klein.
In diesen dramatischen Lebensübergängen erfüllen Berauschungen den Zweck, zumindest vorübergehend, Gefühle wie Trauer und Angst zu ertragen bzw. abzumildern.
Der Griff zum Alkohol kann aber auch der Ausdruck einer Unzufriedenheit mit seiner derzeitigen Lebenssituation sein. Ein Gefühl – es passt nicht mehr wie es ist, aber auch ein Mangel an Ideen was stattdessen sein könnte. Eine Lebensveränderung wird einerseits angestrebt und andererseits durch das Ausbleiben von Ideen und Möglichkeiten verhindert.
So wird Alkohol ein Hilfsmittel nach Lösungen für ihren Zustand, im Sinne einer Idee für einen neuen Lebensentwurf, zu suchen. Ein neuer Lebensentwurf beinhaltet neben einer Chance jedoch auch immer ein Risiko. Wenn die Suche zu einer als nicht nützlich eingeschätzten Alternative führt, tritt eine Art Stagnation ein und die Berauschung verselbständigt sich, der Konsum entgleist zunehmend und es entwickelt sich eine sich selbst organisierende süchtige Dynamik. Oft gibt es die Idee, wenn der Alkoholkonsum eingestellt wird, ist alles in Ordnung. Aber gerade wenn der Alkohol wegfällt wird oft bemerkt, was alles nicht in Ordnung ist.
Eine süchtige Entwicklung wird aus biographischer Sicht gefördert, wenn auf kindliche Bedürfnisse unangemessene Reaktionen von Bezugspersonen erfolgen. Diese reichen von Überbehütung bis zur psychisch – körperlichen Vernachlässigung. Ebenfalls finden sich in den Biographien von Süchtigen oft traumatisierende Kindheitserlebnisse und ebenfalls süchtige Elternteile. Kinder von alkoholabhängigen Eltern haben eine hohe Außenorientierung und die Idee, wenn ich alles richtig mache, verhindere ich Schlimmeres. Gleichzeitig haben sie ein inneres idealisiertes Selbstkonzept. Sie sind der Überzeugung, sie haben die Kontrolle und können so einseitig für Sicherheit sorgen. Sie versuchen das Ungleichgewicht und den Mangel, der durch die Alkoholsucht eines Elternteils herrscht auszugleichen, indem sie eine Rolle übernehmen für die sie nicht reif genug sind und die sie überfordert. Sie übernehmen den Part an dem Mangel herrscht z.B. sie kümmern sich um die Geschwister oder einen Elternteil, sie erledigen den Haushalt oder werden zum Partnerersatz. Dabei machen sie immer wieder die Erfahrung, dass ihr Einfluss nicht groß genug ist und trotz ihrer Bemühungen schlimme Dinge passieren. Sie erleben sich selbst als unwirksam, was zu massiver Enttäuschung und Versagensgefühlen führt.
Aber es gibt auch noch eine nach innen gerichtete Dynamik, dabei werden traumatische Erfahrungen verdrängt oder dissoziiert. Sie werden so ins Unterbewusstsein verschoben und sind dem bewussten Erleben nicht mehr zugänglich. Für den Reifungsprozess nutzbare Erfahrungen können so nicht ins Selbst integriert werden. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass auch noch nach Jahren bestimmte Gerüche, Geräusche oder Bilder, diese bisher erfolgreich verdrängten Erinnerungen hochkommen lassen und den Betroffenen regelrecht überfluten. Ein Zusammenhang mit den Kindheitserfahrungen kann jedoch nicht hergestellt werden, da diese dem Bewusstsein nicht zugänglich sind.
Die in der Kindheit antrainierte Autonomie und die Kontrollbestrebungen werden durch diese Zustände ad absurdum erklärt. Die Folge sind Selbstenttäuschung, Selbstabwertung und Selbstbestrafung, weil die Betroffenen den Erwartungen, die sie von klein an, an sich selbst gestellt haben, nicht mehr entsprechen können.
Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, Alkohol in solchen Situationen der massiv empfundenen Überforderung zu konsumieren, in denen die auftretenden Gefühle nicht anders ertragen werden können und der Alkohol kurzfristig eine Lösung bietet. Alkohol beruhigt und führt vorübergehend zur Leistungssteigerung.
Ob sich im späteren Leben von Kindern mit alkoholabhängigen Eltern eine Störung entwickelt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein kausales lineares Denken im Sinne von – wenn/ dann – ist nicht sinnvoll, da jeder Mensch für sich ein sehr komplexes individuelles System ist. Es gibt Ereignisse im Leben eines Menschen und es gibt vulnerable Lebensabschnitte, die Wahrscheinlichkeiten erhöhen. Aber es gibt auch viele Faktoren – sogenannte Resilienzfaktoren – die eine gesunde Entwicklung begünstigen.
Es werden drei verschiedene Trinkmuster unterschieden
Alkoholgebrauch: Dazu zählt ein Glas zum Essen und zum Genießen in der Gesellschaft.
Alkoholmissbrauch: Dabei wird regelmäßig getrunken, auch mal betrunken mit dem Auto gefahren und Stress mit Alkohol kompensiert.
Alkoholabhängigkeit: Zeichen von Abhängigkeit sind ein starkes Verlangen oder ein innerer Zwang zu trinken. Eine Toleranzentwicklung gegenüber der Wirkung, ein zunehmender Kontrollverlust was Beginn, Menge und Beendigung des Alkoholkonsums betrifft. Eine Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Alkohols. Trotz negativer Folgen wird der Alkoholkonsum fortgesetzt und es treten Entzugserscheinungen wie Zittern, Schwitzen, Unruhe und Übelkeit auf, wenn der Alkohol reduziert oder abgesetzt wird.
Ein Alkoholproblem ist ein sehr scham- und schuldbesetztes Thema, daher werden Probleme rund um den Alkohol von den Familien, vor der Außenwelt, meist geheim gehalten. Auch innerhalb der Familie wird oft versucht den Konsum von Alkohol vor den Familienmitgliedern zu verbergen. Kinder von Süchtigen sind jedoch meist sehr sensibel und erkennen oft schon am Zuschlagen der Autotür ob ein Elternteil wieder getrunken hat oder nicht. In der Regel wird das Problem von der Familienmitgliedern erkannt noch bevor der Betroffene es sich selbst eingesteht. Daher betrifft Sucht auch immer die ganze Familie.
Der Alkoholmissbrauch unter Senioren nimmt in den letzten Jahren stetig zu. Zu den Faktoren, die den Alkoholmissbrauch im Alter erhöhen, zählen Einsamkeit, das Gefühl nicht mehr gebraucht zu werden, Langeweile oder die Lebensveränderung die mit dem Eintritt in die Pension einhergeht. Wie zuvor beschrieben gibt es hier ein Lebenskonzept das keine Gültigkeit mehr hat und noch keinen neuen Lebensentwurf, wie zukünftiges Leben gut „lebbar“ ist. Aber auch Angstzustände, Schmerzen, Schlafstörungen, der Verlust des Partners oder der Rückgang von körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit lassen Betroffene zum Glas greifen. Da Alkohol eine depressiogene Substanz ist, verschlimmert er langfristig depressive Episoden anstatt sie zu verbessern.
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